Le Corbusier und die Ordnung
CategoriesGestaltungsplanung
Dieser Satz begleitet mich seit 2009 und ich finde daran immer wieder neue Betrachtungswinkel.
Im März habe ich dann Postkarten drucken lassen mit einem Foto einer Wandgestaltung und diesem Zitat und mich gefragt, ob das Wort „Ordnung“ darin für die Empfänger der Karte ein rotes Tuch sein könnte. Diese Frage habe ich auch einem Kollegen gestellt und er antwortete mir sinngemäß, dass bei einer Renovierung häufig unterschwellig der Wunsch nach einer neuen Ordnung mitschwingt.
Die Reaktion auf die Karte reicht von „ja genau, wie schön“ (bitte mit geseufztem Unterton denken) bis hin zu „die Karte muss ich meinem (Kind, Mann, Wohnungsgenossen) mitbringen, vielleicht glaubt er/ sie mir dann“.
Ich war ehrlich gesagt sehr verwundert über die Bandbreite der Reaktionen und fragte mich, was Ordnung eigentlich ist.
Der Blick ins Wortbedeutungs-Wörterbuch lieferte die Antwort, dass im allgemeinen Sprachgebrauch „Ordnung“ soviel wie „aufgeräumter, organisierter Zustand“ bedeutet. Das deckt sich mit dem, was der Kollege vermutete und der Reaktion „muss ich … mitbringen“. Ich bezweifle aber, dass Le Corbusier diesen Aspekt meinte.
Viel interessanter ist die Wortherkunft, auch darüber wusste das Wortbedeutungs-Wörterbuch bescheid.
„mittelhochdeutsch ordenunge „Reihe(nfolge), Anordnung, Regel, Vorschrift, Einrichtung, Lebensweise“, althochdeutsch ordinunga „Reihe, Einrichtung“, belegt seit der Zeit um 1000″
Es geht also zusammengefasst um Struktur, und auch Raum und Licht liefern genau das.
Und was hat das alles mit Wohnen zu tun?
Indem Du Räumen ihre Funktion zuweist (Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer, Arbeitszimmer), strukturierst Du Deine Wohnung. Küche und Badezimmer mit sämtlichen Anschlüssen sind bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt sehr wahrscheinlich von Dir fremden Menschen definiert worden. Sie liefern eine weitere Struktur, die zudem nur schwierig verändert werden kann.
Licht lässt Farbe sichtbar werden und hat deswegen eine doppelte strukturgebende Funktion. Du kannst unterschiedliche Bereiche der Wohnung verschiedenfarbig gestalten und/ oder verschieden hell ausleuchten.
Nebenbemerkung: Das Auge ist etwas faul und zieht gleiche Farbtöne zusammen. Deswegen sind z.B. Tapetentüren optisch „weg“. Willst Du also einen Durchgang deutlich hervorheben, gestalte ihn farblich anders als die direkte Umgebung. Willst Du etwas verschwinden lassen, gleiche es der Umgebungsfarbe an. Auch das gibt Struktur.
Und jetzt die Ordnung im herkömmlichen Wortsinn: auch mit Ordnung schaffst Du höchst individuell Struktur.
Höchst individuell deswegen, weil es unterschiedliche Ordnungstypen gibt.
Es gibt zum einen Grobsortierer, die glücklich sind und alles wiederfinden, wenn sie ihre großen Stapel haben. Meist sind sie mit einem guten fotografischen Gedächtnis gesegnet.
Am anderen Ende der Skala gibt es Feinsortierer, die es lieben, ihre Habseligkeiten in unzähligen Feinsortierungssystemen zu lagern.
Dazwischen gibt es alle möglichen Mischformen.
Ich komme zurück zu der eingangs zitierten Reaktion auf meine Postkarte und den Wunsch, diese jemandem mitzubringen, damit er/ sie endlich verstehen möge:
Ich wage die tollkühne Behauptung, dass in solchen Fällen unterschiedliche Ordnungstypen zusammenwohnen, ohne von diesen Unterschieden zu wissen.
Beobachte Dich und Deine Wohnungsmitbewohner in den nächsten Tagen und finde heraus, wer seine persönlichen Dinge wie sortiert. Du wirst eine Menge über Dich und Deine Lieben lernen und sie ein Stück weit besser verstehen.
Ganz zum Schluss: Was hat das Ganze dann noch mit Gestaltung zu tun?
Eine Menge. Wenn Du nämlich weißt, wer wie sortiert, wirst Du (überspitzt gesprochen) einem Grobsortierer nie wieder einen Schrank mit gefühlt 109 Schubladen als Möbelstück fürs Büro vorschlagen und Dich wundern, dass er es nicht benutzt.
Anders herum verstehst Du dann, warum ein Feinsortierer zu seinen 1000 Schächtelchen noch 637 neue benötigt.
Berichte mir doch von Deinen Erfahrungen und Beobachtungen. Entweder hier in den Kommentaren oder per E-Mail. Ich freue mich, von Dir zu lesen und darüber, dass Du Dich in meinen Newsletter einträgst.
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